Heute will ich von einer wunderbaren Sache erzählen (finde ich jedenfalls):
Wir hatten heute Morgen ein CP-Kind im Lab und Nathalie, eine Krankengymnastin aus der Dominikanischen Republik, wollte, dass wir für das Mädchen Schienen anfertigen. Ich fand nur die eine Seite der Achillessehne ganz schön “stiff”. Ja okay, es gibt steifere Fälle, aber es wäre schwierig für die Mutter geworden, die geforderten Night Braces anzulegen, ohne die Korrekturstellung wieder zu verlieren. Da kam plötzlich Denise, eine Krankengymnastin aus den USA, vorbei und ich beratschlagte mich mit ihr. So kamen wir überein, dass eine OP im Achillessehnenbereich – vor der Schienenversorgung – das Beste sei. Die Herausforderung: In diesem Bereich werden hier leider noch keine OPs durchgeführt.
Uns fiel aber ein, dass gerade zwei Chirurgen (chinesischer Abstammung) aus den USA für eine Woche vor Ort sind. Es war gerade Mittagszeit und so vereinbarten wir, bei Tisch mit den beiden “Surgeons” darüber zu sprechen (Eileen macht orthopädische Operationen). Gesagt – Getan! Während ich das Essen auf meinen Teller häufte, sprach ich den Fall an. Die beiden Ärzte meinten, dass wohl jetzt der beste Zeitpunkt wäre, das Kind anzuschauen. Also liefen wir sofort Richtung Werkstatt los, um das Kind, das noch in der Werkstatt mit der Mutter wartete, zu begutachten. Eileen meinte, dass sie das Mädchen heute noch – in ein paar freien Minuten – in der Werkstatt operieren wollte. Ich konnte mir natürlich eine Operation außerhalb des OP-Saals gar nicht vorstellen, aber Eileen sagte, dass der OP-Saal auch nicht unbedingt so steril sei und zwecks momentaner andauernder OP-Nutzung dafür keine Zeit sei und die Bürokratie auch so lange brauchen würde.
Das mit dem Papierkram ist hier wirklich krass. Meine Mitbewohnerin, Susanne – eine Kinderärztin aus Regensburg – hat oft Rufbereitschaft, auch nachts. Wenn es einen Notfall gibt, dauert es etwa 1 – 1,5 Stunden, bis sie davon erfährt, da vorher noch so viele Papiere ausgefüllt werden müssen (Bestätigung für Bestätigung usw.). Dabei sterben leider auch manchmal Leute, und dagegen kann auch leider der Klinikleiter – Ian Rawson – nix machen. Auf jeden Fall bin ich heilfroh, dass im Lab nicht so viel Bürokratie herrscht – da ist man aus Deutschland schon ganz anderes gewohnt….
Zurück zur OP: Also kamen die Chirurgen gegen 14.30 Uhr mit ihrem OP-Material wieder in der Werkstatt vorbei und waren eine halbe Stunde später wieder fertig – UNGLAUBLICH!
Das Mädchen hat sehr gut mitgemacht. Vor der OP schaffte sie eine Dorsalflexion von -20 bis -30 Grad. Nach der erfolgten Teildurchtrennung der Achillessehne kam die auf etwa 70 Grad (hat also 40 – 50 Grad dazugewonnen – siehe Foto)! Das Ganze wurde dann im Gipsverband stabilisiert, den ich nach einer Woche wechseln soll. Die Orthesenversorgung kann für dieses Bein in drei Wochen beginnen. Für das andere Bein haben wir heute schon einen AFO-Abdruck (Ankle Foot Orthoses) gemacht.
Diese ganze Aktion war für mich so erfreulich, da das hier eigentlich etwas Unmögliches ist, aber toll – sowieso meine erste OP im “Sanitätshaus”. Es hat mich total beflügelt, dass wieder einmal Unmögliches möglich wird! Ich bin total stolz darauf. Hier sehe ich auch, was alles getan werden kann, wenn man leidenschaftlich bei der Arbeit ist – die Arbeit der chinesisch-amerikanischen Chirurgen.
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