Fünf Jahre Katastrophenhilfe aus Bayreuth
„medi for help“ versorgt bis heute Erdbebenopfer in Haiti mit medizinischen Hilfsmitteln.
Als Akuthilfe startete das Bayreuther Unternehmen medi, Hersteller von medizinischen Hilfsmitteln, das Projekt medi for help direkt nach dem Erdbeben in Haiti im Januar 2010. Das Ziel: Den Opfern des Bebens schnell und unbürokratisch zu helfen und Bedürftige mit Beinprothesen zu versorgen. Bisher konnten über 4.500 Patienten behandelt werden.
Die Katastrophe kam am 12. Januar 2010 über Haiti. Um 16:53 Uhr Ortszeit bebte die Erde mit einer Stärke von 7,0. Das Erdbeben dauerte eine Minute und kostete mehr als 200.000 Menschen das Leben. Über 300.000 wurden teils schwer verletzt, etwa 1,3 Millionen verloren ihr Zuhause. Die Bilder der Verwüstung gingen um die Welt.
Der Mann, der das Hilfsprojekt von der ersten Stunde begleitet, ist Carsten Stauf. Der Orthopädietechnikermeister und Projektleiter von medi for help blickt zurück auf die Anfänge. „Begonnen hat unser Engagement im Februar 2010, als in Deschapelles, rund 80 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Port-au-Prince, ein prothetisches Rehabilitations-Center errichtet wurde. Die Behandlung in diesem Center steht beinamputierten Haitianern kostenlos zur Verfügung. medi for help kooperiert dabei sehr eng mit dem ortsansässigen Hôpital Albert Schweitzer und der amerikanischen Hanger Ivan R. Sabel Foundation“, sagt Stauf. Er fliegt zwei bis drei Mal im Jahr nach Haiti, um selbst Beinprothesen zu fertigen und die Umsetzung der Hilfsmaßnahmen vor Ort zu steuern. „Was ich dort jedes Mal erlebe, lässt sich kaum in Worte fassen. Viele Menschen, die in unser Zentrum kommen, haben aufgrund ihrer Amputation oft wenig Hoffnung auf ein besseres Leben. Wenn sie dann die ersten Gehversuche mit ihrer Prothese wagen und das Lächeln in ihrem Gesicht zurückkehrt, ist das jedes Mal ein zutiefst bewegendes Gefühl“, berichtet Carsten Stauf.
Das Aufgabenfeld wächst
Das Engagement von medi for help hat sich über die Jahre stetig erweitert. Lag der Versorgungsschwerpunkt bis 2012 auf Beinprothetik, hat sich mittlerweile die Behandlung auch auf traumatologische und orthopädische Fälle für das benachbarte Hôpital Albert Schweitzer erweitert. „Die Zahl der Erstversorgung von Patienten, die ihre Beine durch das Erdbeben 2010 verloren haben, reduziert sich, allerdings steigen die Nachversorgungen. Man muss bedenken, dass wir viele Kinder und Jugendliche behandeln, die aus ihren Prothesen herauswachsen oder Passteile kaputt gehen. Da muss regelmäßig nachgebessert werden. Hinzu kommen viele Verkehrsopfer und Menschen, deren Beine aufgrund von Diabetes amputiert wurden“, erklärt Carsten Stauf. Um das breite Aufgabenfeld bewältigen zu können, verbesserte medi for help die administrativen und logistischen Strukturen. Grundlage hierfür war die Umwandlung des einstmals spontanen Hilfsprojekts in eine gemeinnützige GmbH. Sie bietet eine formale und transparente Plattform für Partner und Sponsoren, die mit ihren Spenden medi for help unterstützen. Dass die Hilfen ankommen, zeigen die bisherigen Investitionen, die dadurch realisiert werden konnten. Dazu zählt beispielsweise die Anschaffung eines Geländewagens, der Patientenversorgungen und -transporte im Umland von Deschapelles ermöglicht. Zudem wurde eine zweite Werkstatt in Port-au-Prince aufgebaut und in Betrieb genommen – eine große Erleichterung für die Patienten aus der Hauptstadt. Aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse benötigten sie zuvor bis zu drei Stunden Fahrtzeit nach Deschapelles.
Nachhaltige Hilfe zur Selbsthilfe
„Die positive Resonanz der Patienten – aber auch unserer Partner – hat uns frühzeitig darin bestärkt, unsere Aktivitäten auf Haiti auch langfristig fortzuführen“, sagt Carsten Stauf. Um die Versorgung in Haiti auch zukünftig gewährleisten zu können, spielen die Volontäre, freiwillige Orthopädietechniker und Orthopädietechnikermeister, eine entscheidende Rolle. Zusammen mit medi for help USA rekrutiert medi for help diese Volontäre vor allem aus Deutschland, Amerika, Frankreich und England. Sie stellen für zwei bis vier Wochen ihr Know-how unentgeltlich zur Verfügung. Während dieser Zeit fertigen sie unter anderem Gipsabdrücke, bauen Prothesen und nehmen technische Einstellungen an den Prothesen und Orthesen vor. Zudem begleiten die Volontäre Patienten bei ihren ersten Gehversuchen und bereiten sie auf ihren neuen Lebensabschnitt mit den medizinischen Hilfsmitteln vor. Unterstützt werden sie dabei von einem Werkstattleiter, der immer für ein Jahr in Haiti bleibt, sowie einheimischen Technikern. Deren Schulung und praktische Weiterbildung im Prothesenbau stellt einen weiteren, ganz wichtigen Teil der Volontärsarbeit dar. „Wir beschäftigen aktuell vier haitianische Techniker in Deschapelles und drei in Port-au-Prince. Was die Jungs mittlerweile in den Werkstätten leisten, ist bewundernswert“, sagt Carsten Stauf. Damit auch die theoretische Ausbildung, beispielsweise in Anatomie, Pathologie oder Diagnostik gewährleistet ist, unterstützt medi for help die Techniker bei verschiedenen Fortbildungsmaßnahmen. „Unser Ziel ist es darüber hinaus, ihnen eine interaktive Ausbildung per ´virtuellem Klassenzimmer´ anzubieten. Dadurch könnten sie beispielsweise Lehrfilme nutzen, mit Dozenten kommunizieren und Prüfungen ablegen“, sagt Stauf. Das Konzept steht bereits und ein Schulungspartner ist schon gefunden. „Sobald die Finanzierung steht, können wir mit der Ausbildung beginnen. Denn bei allen Unterschieden, die es zwischen der Lebensweise in Haiti und in Deutschland gibt, ein schriftlicher Leistungsnachweis ist auch in der Karibik wichtig“, sagt Carsten Stauf.
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