Simone Maly: Meine Erlebnisse mit medi for help
Als Orthopädiemechanikerin in einem Hilfsprojekt zu arbeiten, war ein ein Traum, den ich mit Hilfe von medi for help nach meinem Studium endlich wahr machen konnte. Die positive Resonanz im Vorfeld meiner Reise hat meine Vorfreude noch gesteigert. Die Aufregung als es endlich los ging war riesig. Nach einem langem Flug und Übernachtung in den USA konnte ich mich allerdings direkt wohlfühlen: Raus aus dem Winter, rein in den Sommer. Ich wurde sofort mit herrlicher haitianischer Hausmannskost versorgt.
In den Werkstätten wurde ich herzlichst von meinen haitianischen Kollegen aufgenommen. Über die gesamte Zeit meiner Anwesenheit blieb diese herzliche Stimmung bestehen. Ich habe ein Team erlebt, dass eng zusammenarbeitet und unheimlich dankbar für die Zusammenarbeit mit allen Volontären war und ist. Was hier von medi aufgebaut wurde ist immens!
Ich habe regen Werkstattbetrieb erlebt, bei dem auf dem ersten Blick erstmal alles nach normaler Orthopädietechnik aussieht. Erst im Laufe der Zeit und beim Fertigen meiner eigenen Hilfsmittel habe ich dann begriffen, was der viel gesagte Spruch „Better than nothing“ wirklich bedeutet. Natürlich habe ich auch vor meiner Reise geahnt, dass der deutsche Standard in Haiti höchstwahrscheinlich keine Priorität hat. Im Arbeitsalltag beginnt das bei der Ordnung des Arbeitsplatzes, der Sauberkeit und Lagerung von Materialien und teilweise dem Zustand der Werkzeuge. Aber es endet dort, worauf es ankommt: beim Patienten. Für mich war das eine Lektion und eine tolle Erfahrung zugleich. War beim Gipsabdruck und in der Konzeptionierung noch alles wie ich es kannte, bin ich bei der Fertigung doch ins Schwitzen gekommen, was nicht nur an den heißen Temperaturen lag. Nach kurzer Frustration folgte die Motivation: „Just do it!“ und am Ende fand doch die Lieferung statt.
Im Außendienst
An je zwei Tagen in der Woche habe ich meine Kollegen in den Außendienst nach St. Marc und in Mirebalais begleitet – ein kleines Abenteuer für sich. Die Straße staubig und stellenweise völlig unbefestigt. Die Insassen, die Hilfsmittel, die Materialien schaukeln vor sich hin und die Sonne lässt den Kleber leise verdampfen. Vor Ort gibt es Termine aller Art: Anproben von Orthesen und Prothesen, Gipsabdrücke, Änderungen und Lieferungen. Hier bekam ich zwei Jungen im Alter von ein und neun Jahren zu sehen, deren Wirbelsäule von Tuberkulose angegriffen war. Ein Krankheitsbild, das man in „unserer Welt“ gar nicht mehr sieht. Die beiden Jungen jeweils mit einem Korsett zu versorgen, war eine besondere Herausforderung.
In meiner letzten Woche habe ich mich in der St. Vincent Werkstatt in Port-au-Prince aufgehalten. Dort durfte ich ein Seminar für meine Kollegen geben. Ich entschied mich für den Schrittzyklus und deren Bedeutung für Prothetik und Orthetik. Schnell merkte ich jedoch, dass zunächst alle anatomischen Grundlagen wiederholt werden mussten. Ich habe sehr interessierte Kollegen erlebt, aber auch deutlich den Kontrast zu unserer deutschen Disziplin.
Insgesamt habe ich eine vollkommen andere Seite der Welt kennengelernt. Nie zuvor bin ich der Armut begegnet. Der Müll brennt auf den Straßen und sauberes Wasser sowie Elektrizität sind keine Selbstverständlichkeit. Die Menschen hingegen sind offenherzig. Dieser neue Blickwinkel hat mir auch gezeigt wie limitiert wir häufig in unserer Denkweise sind und mich darin bestärkt, dass jeder etwas tun kann. Insbesondere unsere Branche, die Orthopädietechnik, hat sich doch genau dem verschrieben: ein besseres Leben, Hand in Hand für mehr Lebensqualität. Wir haben das Handwerk und die Mittel konkrete und spezifische Hilfe zu leisten! Ich kann jedem einzelnen ans Herz legen, diesen Schritt zu gehen. Die Industrie hingegen rufe ich auf, für ihre Slogans am anderen Ende der Welt auch einzustehen!
Nach meiner Rückkehr steht für mich fest, dass ich es jeder Zeit wieder tun würde und ich wünsche mir sehr dies möglich zu machen. Mit medi for help in Haiti zu arbeiten war eine aufregende Reise. Drei Wochen unendlich vieler Eindrücke, Erfahrungen und Denkanstöße. Ich habe weit über meinen europäischen Tellerrand gesehen und bin über die Maße dankbar für alles, was ich erleben durfte.