Dr. Rolf Maibach hält ein Mädchen auf dem Arm und hört es mit dem Stethoskop ab

medi for help: Eine „Herzensangelegenheit“

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Interview mit Dr. med. Rolf A. Maibach

Dr. med. Rolf A. Maibach studierte Medizin an der Universität Zürich und war viele Jahre als Kinderarzt tätig. 1995 lernten seine Frau und er Gwen Grant Mellon kennen, Mitbegründerin des Hôpital Albert Schweitzer (kurz HAS) in Deschapelles, Haiti. Beeindruckt von der Persönlichkeit Mellons folgten sie 1996 ihrer Einladung nach Haiti und kamen in den folgenden zehn Jahren jährlich für einen Monat zurück auf die Insel, um als Volontäre das Hospital zu unterstützen. Seit 2000 ist Dr. Maibach Mitglied im Stiftungsrat des HAS. Von 2008 bis 2010 leitete er als Medizinischer Direktor das Spital. Im Interview spricht der „Schweizer des Jahres 2010“ über die Bedürfnisse des Hospitals und das Projekt medi for help.

Dr. Rolf Maibach

Herr Dr. Maibach, was waren seit 1996 die großen Herausforderungen in Haiti?

„Die Klinik hat sich im Laufe der Jahre sehr entwickelt. Anfangs kamen die Ärzte und das Pflegepersonal überwiegend aus dem Ausland. Es war ein haitianisch-amerikanisches Hospital, in dem vor allem Englisch gesprochen wurde. Das sieht heute anders aus. Es ist jetzt ein haitianisch-internationales Hospital. Wir haben immer mehr Haitianer eingestellt und Französisch als Sprache implementiert. Aus meiner Sicht war dies eine wichtige Entwicklung, damit die Haitianer langfristig Vertrauen zu uns aufbauen.

Natürlich stellen aber vor allem die Naturkatastrophen große Herausforderungen dar, wie die Hurricanes in 2008 und das Erdbeben in 2010, das auch die Cholera nach sich zog. So haben wir seitdem über 7.100 Cholera-Kranke hospitalisiert. Das ist eine hohe Anzahl, sodass wir stets genügend Infusionen bereitstellen mussten. Die hygienischen Bedingungen sind in einem solchen Fall herausfordernd. Wir haben damals die Betroffenen sofort isoliert und außerhalb des Spitals in einem separaten Cholera-Zentrum behandelt. Wir statteten dieses Gebäude mit sanitären Anlagen aus und konnten das Hospital damit sauber halten. Somit war es für die anderen Verletzten und Kranken weiterhin nutzbar.“

Wie steht die Klinik aus Ihrer Sicht heute da?

„Es gibt für uns noch immer Herausforderungen. Wir haben ein Hospital mit einer sehr großen Kinderabteilung. Über die Hälfte der Betten sind für Kinder. Leider ist die Kindersterblichkeit – anders als in Deutschland, der Schweiz oder den USA – in Haiti sehr hoch. Wir möchten dazu beitragen, dass sich das zum Positiven ändert. Ein weiterer Anspruch von uns ist es, noch schneller bei Notfällen zu werden, zum Beispiel bei Geburten, wenn Mütter wegen langer Transportwege viel Blut verlieren. Wir versuchen daher, Geburten mehr in die Zentren zu verlegen, um dieses Risiko zu senken. Die Laboruntersuchungen müssen schneller werden, denn es können Menschen sterben, wenn der positive Befund bei einem Malariatest erst nach einigen Tagen feststeht.

Aber unser Hospital ist auch sehr erfolgreich, da wir mit unseren Patienten und auch mit unseren Angestellten auf Augenhöhe kommunizieren und ihnen mit Respekt begegnen. Unser Team arbeitet sehr gut und gerne zusammen. Dabei spielt auch der Humor eine wichtige Rolle. Wir lachen viel zusammen, zum Beispiel über die Sprichwörter, die ich auf kreolisch aufsage und manchmal falsch ausspreche.“

„Eine gute Zusammenarbeit ist mir sehr wichtig. Daher lautet eines meiner Lieblingssprichwörter: Men anpil chay pa lou* – Mit vielen Händen ist die Last nicht mehr so schwer.“

Dr. Rolf A. Maibach

Wie geht es mit dem Hospital weiter?

„Unser Hospital hat eine hohe Anziehungskraft. Jedes Jahr bekommen wir mehr Patienten und gelangen daher langsam an unsere Grenzen. Wir benötigen mehr Personal, zum Beipsiel Orthopäden und Traumatologen. Durch die Zunahme des Verkehrs hat die Zahl der Unfallopfer drastisch zugenommen. Daher möchten wir die Unfallchirurgie weiterentwickeln. Darin unterstützt uns auch die Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (AO), mit der wir eine Kooperation haben.“

Welche Bedeutung hat die ans Hospital angegliederte Werkstatt des Hilfprojektes medi for help?

„medi for help und die Werkstatt sind für uns eine Herzensangelegenheit. Ich hatte schon vor dem Erdbeben gesehen, wie viele amputierte Menschen es hier gibt. Die Orthopädietechniker arbeiten sehr genau und die Werkstatt ist technisch besser ausgestattet als andere Werkstätten. Das bieten andere Kliniken in dieser Form nicht an, denn der Aufwand ist einfach enorm. Daher bin ich sehr froh und unendlich dankbar, dass sich medi seit 2010 hier engagiert. Mittlerweile stellen wir nicht nur Prothesen, sondern auch Orthesen für die Patienten bereit. Das Hospital und die Werkstatt üben auf Volontäre eine hohe Anziehungskraft aus. Dank medi haben wir nun eine haitianische Führungskraft für die Werkstatt rekrutiert. Dass es sich hierbei um eine Frau handelt, ist für Haiti schon etwas Besonderes, aber Fabiola hat uns eben von Anfang an beeindruckt, sodass wir uns für sie entschieden haben. Heute kann ich mir das Hospital nicht mehr ohne die Werkstatt vorstellen.“

Herr Dr. Maibach, wir bedanken uns für das Gespräch.

* Sprichwort auf Kreolisch